Mit Diversität zu einer gesunden Darmflora.

Seit einigen Jahren erscheinen immer mehr wissenschaftliche Publikationen, die sich intensiv mit der menschlichen Darmflora, dem so genannten Mikrobiom, beschäftigen. Insbesondere die Frage, was eigentlich eine gesunde Darmflora ausmacht und wie wir sie durch unsere Lebensführung beeinflussen können, treibt die Forscher um.

So schreibt das Team um Jason Lloyd-Price beispielsweise in seiner vielzitierten Übersichtsarbeit über das menschliche Mikrobiom„High diversity has been generally associated with health and temporal stability“. [1] In einer weiteren Arbeit ziehen die Autoren Danilo Ercolini und Vincenzo Fogliano einen ähnlichen Schluss: „Mounting evidence showed that this microbiome diversity is associated with a low inflammatory status and lean phenotype. This is not a random association: the expression of genes in the microbiome triggers biochemical pathways, ensuring proper intestinal permeability and immunomodulation“. [2]

Wow! Diese beiden Forschungsgruppen sehen also eine starke Verbindung zwischen einer hohen Diversität der Darmflora und dem allgemeinen Gesundheitszustand der Studienteilnehmer. Darüber hinaus vermuten sie einen direkten Zusammenhang zwischen einer vielfältigen Darmbesiedlung und einer niedrigen Inflammation, also Entzündungswerten, sowie einem fettarmen Körperbau der Probanden.

Einer der von den Autoren beschriebenen Mechanismen, der diese Wirkung zu vermitteln scheint, ist die Regulation der intestinalen Durchlässigkeit. Unser Darm hat eine natürliche Barrierefunktion, die wichtige Nährstoffe passieren lässt und schädigende Stoffe (wie zum Beispiel Bakterien und Toxine) abwehrt, damit sie nicht in den Blutkreislauf gelangen. Ist diese Barriere gestört, spricht man auch von einem sogennanten leaky gut.

Die zwei dargestellten Studien sind nur ein kleiner Ausschnitt aus der breiten Forschungslandschaft, die sich derzeit entwickelt und das Thema Darmgesundheit verstärkt in den Fokus nimmt. Wenn ihr tiefer in die Thematik einsteigen wollt, empfehlen wir euch die folgenden Publikationen [3],[4],[5] und [6].

Eine Frage der Kausalität.

Eine geringe Diversität des Mikrobioms findet sich in Verbindung mit vielen Krankheiten:

  • Übergewicht [7]
  • Insulin-Resistenz [7]
  • Hohe Cholesterin-Spiegel [7]
  • Erhöhte Inflammation [7]
  • Typ-1 Diabetes [8]
  • Typ-2 Diabetes [9]
  • Colitis ulcerosa [9]
  • Darmkrebs [9]
  • Morbus Krohn [9]
  • CFS/ME (Chronisches Erschöpfungssyndrom/Myalgische Enzephalomyelitis) [10]

Obwohl die Mehrzahl der Untersuchungen zu dem Schluss kommt, dass die Darmflora eine zentrale Rolle bei der Entwicklung vielfältiger Erkrankungen spielt, konnten die vermittelnden Mechanismen bislang noch nicht vollständig aufgeklärt werden. Daher bleibt die Frage nach den kausalen Zusammenhängen – und vor allem auch nach der Richtung der Zusammenhänge – zunächst offen. Fördert eine geringe Diversität der Darmflora die genannten Krankheiten oder führen die Krankheiten selbst zu einer abnehmenden Vielfalt unserer Darmbakterien?

Das Forschungsteam um Alexis Mosca [9] hat sich genau diesem Henne-Ei-Problem gewidmet und kommt zu dem Schluss, dass es sehr starke Argumente für die kausale Wirkung von einer geringen Diversität (auch als LOMD, Loss Of Microbiota Diversity, bezeichnet) auf verschiedene menschliche Erkrankungen gibt.

Trotz noch eingeschränktem Verständnis der Zusammenhänge zeigt sich wieder einmal: Der Darm steht im Zentrum unserer Gesundheit. Und die Mühlen der Wissenschaft mahlen langsam, aber stetig. Wir verfolgen deshalb gespannt die weiteren Forschungsaktivitäten in diesem Feld und freuen uns über jede weitere Erkenntnis, die uns dabei hilft, diesem so wichtigen Organ zu geben, was es braucht.

 

Literaturverzeichnis:

[1]          J. Lloyd-Price, G. Abu-Ali, und C. Huttenhower, „The healthy human microbiome“, Genome Med., Bd. 8, Nr. 1, S. 51, Apr. 2016, doi: 10.1186/s13073-016-0307-y.

[2]          D. Ercolini und V. Fogliano, „Food design to feed the human gut microbiota“, J. Agric. Food Chem., Bd. 66, Nr. 15, S. 3754–3758, 2018.

[3]          C. A. Lozupone, J. I. Stombaugh, J. I. Gordon, J. K. Jansson, und R. Knight, „Diversity, stability and resilience of the human gut microbiota“, Nature, Bd. 489, Nr. 7415, S. 220–230, Sep. 2012, doi: 10.1038/nature11550.

[4]          S. Tuddenham und C. L. Sears, „The Intestinal Microbiome and Health“, Curr. Opin. Infect. Dis., Bd. 28, Nr. 5, S. 464–470, Okt. 2015, doi: 10.1097/QCO.0000000000000196.

[5]          N. Segata, „Gut Microbiome: Westernization and the Disappearance of Intestinal Diversity“, Curr. Biol., Bd. 25, Nr. 14, S. R611–R613, Juli 2015, doi: 10.1016/j.cub.2015.05.040.

[6]          A. L. Kau, P. P. Ahern, N. W. Griffin, A. L. Goodman, und J. I. Gordon, „Human nutrition, the gut microbiome and the immune system“, Nature, Bd. 474, Nr. 7351, S. 327–336, Juni 2011, doi: 10.1038/nature10213.

[7]          E. Le Chatelier u. a., „Richness of human gut microbiome correlates with metabolic markers“, Nature, Bd. 500, Nr. 7464, S. 541–546, Aug. 2013, doi: 10.1038/nature12506.

[8]          A. D. Kostic u. a., „The Dynamics of the Human Infant Gut Microbiome in Development and in Progression towards Type 1 Diabetes“, Cell Host Microbe, Bd. 17, Nr. 2, S. 260–273, Feb. 2015, doi: 10.1016/j.chom.2015.01.001.

[9]          A. Mosca, M. Leclerc, und J. P. Hugot, „Gut Microbiota Diversity and Human Diseases: Should We Reintroduce Key Predators in Our Ecosystem?“, Front. Microbiol., Bd. 7, S. 455, März 2016, doi: 10.3389/fmicb.2016.00455.

[10]        L. Giloteaux, J. K. Goodrich, W. A. Walters, S. M. Levine, R. E. Ley, und M. R. Hanson, „Reduced diversity and altered composition of the gut microbiome in individuals with myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome“, Microbiome, Bd. 4, Nr. 1, S. 30, Juni 2016, doi: 10.1186/s40168-016-0171-4.

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